Lübecker Nachrichten 31.12.2017:


Neuer Pächter für Fischereihof gesucht

Beachtliche Liegenschaftsinkompetenz in Timmendorfer Strand – ein Beitrag von Rechtsanwalt Sven M. Kockel

Mit dem selbst als „Leuchtturmprojekt“ umschriebenen Fehlschlag Fischereihof Hemmelsdorf setzt Timmendorfer Strand seine beängstigende Serie desaströs geplanter Großunternehmungen fort. Die Verantwortung dafür tragen alle, die daran beteiligt waren. In den letzten gut 20 Jahren gaben sich einige „Kurdirektoren“ mit schmückenden Jobbezeichnungen und fürstlichen Honoraren die Klinke in die Hand. Der Anspruch an das Stellenprofil scheint zu sein, dass man täglich irgendwo in der Lokalpresse ins Bild lächelt und viel Geld ausgibt, welches man nicht hat. Es geht um Leuchttürme und um Strahlkraft für den Ort.

Das hat hier Tradition, doch sehr schnell mag man sein Spielzeug nicht mehr und lässt es liegen, ohne sich ihm wertentsprechend gewidmet zu haben. Das Leuchtturmprojekt Eissporthalle von 1984 ist das zweifelsohne größte Problemfeld. Das Leuchtturmprojekt Timmendorfer Kurmittelhaus von 1991, auch im höheren Millionenbereich anzusiedeln, rottet im Kurpark vor sich hin, die Freilichtbühne daneben wurde unauffällig entsorgt, für die Trinkkurhalle ist noch immer keine endgültige Lösung gefunden, das Teehaus reiht sich ins ungenügende Liegenschaftsmanagement ein.

Es ist eine Art Markenimage  Timmendorfer Strand, dass der Größenwahn den Alltag bestimmt. Da die Entscheider nicht persönlich für ihre lang geplanten Kurzschlüsse haften, wird sich nichts ändern. Ein teures Spiel ohne Risiko und Strafe. Dabei sein ist alles, egal ob als Gemeindevertretung, die ahnungslos zustimmt, oder als Bürger, der aus verständlicher Sentimentalität die Eisgrotte rettet. Bei Leuchtturmprojekten in Timmendorfer Strand geht es nie darum, ob Investitionen sich amortisieren und ob die Projekte sich nach dem Verbrauch der Spenden- und Fördergelder selbst tragen können, es geht ums „Babeln“, man ist schließlich grandios, wohlhabend, glorreich, man kann es sich leisten. Blinder Aktionismus und exorbitante Geldbewegungen dienen als Arbeitsnachweis für die Verantwortlichen oder zur Selbstverwirklichung.

So war der Fischereihof Hemmelsdorf als Fischkate / Fischräucherei Schierbaum viele Jahrzehnte ein Stück Kultur der Großgemeinde Timmendorfer Strand. Über Generationen wurde dort Hemmelsdorfer Dorfkultur gelebt und tausende von Touristen hatten diesen Spot auf dem Schirm. Egal ob der Pott zur Walter-Regatta, Vatertag oder Sommersonnenwende, knackiger Eissegel-Wintertag oder Hochsommer, hier ging die Post ab und es gab nicht wenige Tage, an denen tausende Besucher dort passierten. Ein einfaches altbackenes, man kann ohne Abwertungsabsicht sagen: das urig-primitiv-billige Flair rockte den See.

Was da 2017 nach Jahren der Planung entstanden ist, ist den Aufwand nicht wert. 2 zusätzliche Holzhütten, etwas Radweg und ein paar Meter Steg im Wasser – etwas mau für 4 Millionen Euro. Das hätte die Schierbaum-Crew für einen neuen Vertrag und eine moderat angepasste Pacht gemacht. Sofern die Bürgermeisterin Frau Kara den Pächter für sein Nachkarten kritisiert, so sei bemerkt, dass eine Insolvenz keinen Spaß macht. Im Gegensatz zu der gemeindlichen Vertragsseite, bei der kein Mensch ein persönliches Risiko für die Fehlunternehmung trägt und einfach ein neuer Pächter gesucht wird, muss der gebeutelte Pächter sein wirtschaftliches Leben retten. Die Gemeinde wird jedoch keinen neuen Pächter finden. Der Erstpächter hat rechtzeitig gerechnet und ist abgesprungen, der zweite ist pleite, bevor der Parkplatz das erste mal voll war. Der Fehler? Siehe oben! Braucht so keiner, aufgebläht, zu teuer, kann sich nicht amortisieren.

In der Gegenwart leben und diese unter Kontrolle zu haben, indem man vernünftig regiert, verwaltet, wirtschaftet und vor allem auch selbst arbeitet, ohne sich utopischen Spinnereien hinzugeben, das muss das Ziel sein. Symtomatisch für das Gegenteil dieser Gesinnung ist auch die Idee des Kurbetriebes in Zusammenarbeit mit der Gemeinde: „Visionen Timmendorfer Strand 2035“.

Für die vorgenannte Studie wurden von Timmendorfer Strand ortsfremde Unternehmen gegen entsprechend hohe Bezahlung beauftragt. Es ist das Timmendorfer System, für unmögliche Projekte externe Konzept- und Gutachtenersteller zu bezahlen, bevor das jeweilige Projekt nach Fördergelderhalt – für denkende Menschen offensichtlich bis vorsätzlich – teuer an die Wand gefahren wird. Kostete nur die Konzepterstellung Geld, weil der Schwachsinn rechtzeitig erkannt und beendet wurde, wird das Konzept als Arbeitsnachweis für den Verantwortlichen verbucht. Timmendorfer Strand ist eine der bewohnerältesten Gemeinden in Schleswig-Holstein. Der Wahlkreis 9 hat den bundesweit geringsten Anteil an Millenials, also den Menschen, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurden. Statistische Angaben belegen für Timmendorfer Strand eine durchschnittlich 50 -57 Jahre alte Bevölkerung. Die Statistikdaten des Kreises gehen zudem von einer deutlichen Veralterung der Bevölkerung in der nahen Zukunft aus. Man „plant“ nun also 18 Jahre im voraus für 68 – 75jährige und gibt dafür viel Geld aus.

Bei dieser herrschenden Vorstellung von Verantwortung, Wirtschaftlichkeit und Vernunft wundert es auch nicht, wenn die LN am 15.12. 17 an gleicher Stelle von einem drohenden Haushaltsminus von bald über 30 Millionen Euro berichtete. Timmendorfer Strand hat aufgrund der innovativen herausragenden Leistungen der Bevölkerung und der Verwaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie seiner perfekten Lage das Potential zu einer herausragenden Destination. Ohne bei einzelnen Amtsinhabern die Kompetenz über Gebühr in Frage zu stellen, aber ein Großunternehmen Timmendorfer Strand mit zweistelligen Millionenhaushalten braucht auch eine entsprechende Geschäftsführung mit adäquater Kompetenz.

Wenn nunmehr also nicht eine ganz wesentliche Korrektur erfolgt, nicht endlich hinreichend befähigte Menschen in Verwaltung, Kurbetrieb, TSNT und Gemeindevertretung das Ruder übernehmen, wird Timmendorfer Strand in Zukunft leuchtturmgroße Probleme im Kampf gegen die Konkurrenz haben.

In diesem Sinne hoffe ich mit allen Bürgern und Verantwortlichen auf eine Verbesserung und somit ein erfolgreiches, besseres, fleißigeres und seriöseres Jahr 2018!

Mit freundlichen Grüßen

Sven M. Kockel